von Daniel Eckmann; erschienen im Berner Bund.
Die No-Billag-Initiative hetzt auf und blendet die Folgen aus. Ein Ja würde den Medienplatz Schweiz als Ganzes schwächen.
Klar, eine Institution soll man kritisieren, wenn sie Fehler macht. Aber es ist gefährlich, deswegen gleich eine ganze Institution zu zerschlagen. Denn damit zieht man allen Lichtern den Stecker, auch den vertrauten und lieb gewonnenen. Ich spreche von der SRG, um deren Existenz ich mir Sorgen mache. Nicht aus geschuldeter Loyalität. Sondern weil ich überzeugt bin, dass sie für die Schweiz insgesamt ein Gewinn ist. Und ihr Verschwinden ein Verlust. Mehr als man auf Anhieb denkt.
Die SVP sägt seit Monaten an dieser trotz Fehlern wichtigen Institution. Auch die Verlagshäuser sägen mit. Eine unübliche Allianz. Die einen haben politische Motive, die anderen erhoffen sich vom Aus des grossen Konkurrenten mehr Luft im Markt. Nur geht das nicht auf. Denn die mit dem SRG-Tod verbundene Marginalisierung des Schweizer Medien- und Werbemarktes müssten im Endeffekt just jene teuer bezahlen, die ihr Wachstum im Niedergang des audiovisuellen Zugpferds sehen. Eine Nivellierung nach unten ist nie ein Erfolgsrezept. Um tote Zugpferde herum wird es rasch einsam. Und Profiteure wären nicht wie ersehnt die heimischen Medien, sondern die internationale Konkurrenz, die sich ins Fäustchen lacht, wenn nach einem historisch einmaligen Eigentor die grossen Werbebudgets abwandern und bei den bereits heute übermächtigen Giganten landen. Die Hoffnung auf plötzlich erblühende Privatsender ist trügerisch. Man schaue nur einmal bei Berlusconi fern.
Bestehen gegen die Grossen
Ein eigenständiger audiovisueller Medienraum hat eine kritische Grösse, die sich nach internationalen Standards bemisst. Benchmark ist nicht Tele Oberhasli, Benchmark sind die Rechte-Inhaber der Olympischen Spiele, der Filme, des weltweiten News-Exchange. Schon die ganze Schweiz ist im Vergleich zu den Nachbarmärkten dafür zu klein. Geschweige denn unsere Landesteile mit gleich vier verschiedenen Sprachregionen, die alle Anspruch auf umfassende Versorgung haben. Nicht die SRG-Gebühr ist teuer, sondern die Vielfalt der Schweiz und unsere Stärke, auch Minderheiten gleichwertig am Service public teilhaben zu lassen. Das sind Angebote für alle Regionen, für Junge und Alte, Hör- und Sehbehinderte, für speziell und allgemein Interessierte, für das ganze kulturelle Spektrum vom Hörspiel über Klassik bis zu Jugendsendungen und Krimis. Vergessen wir nicht: Die Schweiz ist bis zu 10-mal kleiner und hat somit bis zu 10-mal weniger Gebührenzahler als die Länder ringsum. Und auch die Werbeminute ist bei uns ein Vielfaches weniger wert. Die ARD hat pro Jahr 8 Milliarden Franken zur Verfügung, die SRG für viersprachiges Radio und Fernsehen insgesamt nur ein Fünftel. RAI hätte das gesamte Tessiner-Budget schon im Februar aufgebraucht. Und doch besteht die SRG gegen die Grossen in Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien. Jeden Tag. Das fällt nicht vom Himmel.
Umfassendes Leistungspaket
Beim Fernsehen sind die Eigenproduktionen am teuersten. Sie machen den Unterschied aus – und sie sind überall gleich teuer, egal wie gross das Einzugsgebiet ist. Denn in einem Vergleichsmarkt muss die gleiche Qualität geboten werden: Das gilt gerade bei der «Tagesschau» oder dem «Echo der Zeit», beim Sport und bei der Unterhaltung, bei Reportagen und eigenen Filmen. Das, was man Service public nennt, ist also ein umfassendes Leistungspaket. Das kostet, wird aber jeden Tag von Millionen von Menschen geschaut, gehört und geschätzt. In Amerika kann man sehen, was passiert, wenn der Service public auf unrentable Sparten wie Politik, Religion und Kultur reduziert wird: Es gibt kein unabhängiges Radio und Fernsehen mehr. Und wenn sich die Sehgewohnheiten mit der Digitalisierung verändern, dann ist eine intakte SRG die bessere Basis um mit der Moderne Schritt zu halten als ihre Trümmer.
Die Abschaffungsinitiative ist ein gefährliches Spiel. Sie hetzt auf und blendet die Folgen aus. Schon der Titel ist trügerisch. Es geht ja nicht um die Billag. Sie ist bloss die Inkassostelle. Es geht um die Stärke unseres Medienplatzes, auf dem die SRG und die Verlage der Auslandskonkurrenz gemeinsam Paroli bieten müssen. Umso wichtiger ist, dass man nicht in der Hitze einzelner Ärgernisse urteilt. Denn es geht um mehr als um einzelne Sendungen, die einem nicht passen. Es geht um eine Institution, die eine wichtige Aufgabe erfüllt. Denn wenn diese weg ist, ist sie weg. Das ist es, was auf dem Spiel steht.
Daniel Eckmann war 2004 bis 2011 stellvertretender Generaldirektor der SRG und vorher während zwölf Jahren Informationschef von Bundesrat Kaspar Villiger im Militär- und im Finanzdepartement. Heute ist Eckmann Partner im Zürcher Beratungsunternehmen «Klaus Metzler Eckmann Spillmann» und Lehrbeauftragter an der Universität Bern.