Ich – ein staatenloses Kind

Am 12. Februar stehen die nächsten Abstimmungen vor der Tür. Unter anderem kann über eine erleichterte Einbürgerung der dritten Ausländergeneration abgestimmt werden. Dies betrifft mich, Tochter von Secondos, welche beide Kinder von Gastarbeitern sind und ebenfalls hier in der Schweiz geboren wurden.

Seit Jahren muss ich mir erstaunte Kommentare anhören, wenn ich erzähle, dass ich noch nicht eingebürgert bin. „Aber du bist doch hier geboren?“. Ja, das bin ich und die Schweiz ist meine Heimat.

Weder in der Schweiz, wo ich geboren bin und meine Familie seit drei Generationen lebt, noch in Italien, also meinem eigentlichen Bürgerort, bin ich wirklich eine Staatsbürgerin. In beiden Ländern bin ich auf eine andere Art und Weise Ausländerin. Hier bin ich zu Hause, doch keine Staatsbürgerin. In Italien bin ich nicht zu Hause, doch ich bin Bürgerin dieses Landes. In dem Staat, in welchem mich die politischen Entscheidungen persönlich betreffen, darf ich nicht abstimmen. In dem Staat, in welchem ich nie lebte, dürfte ich abstimmen, obwohl ich den politischen Alltag nicht persönlich kenne und mich mit diesem nicht persönlich auseinandersetzen kann.

Was ist das Ziel der ordentlichen Einbürgerung? Der Einzubürgernde soll den zukünftigen Bürgerstaat kennenlernen und sich mit diesem auseinandersetzen. Weiss ich das Grundlegende nicht schon? Kenne ich die Schweiz nicht gut genug? Den Staatsapparat? Die Geschichte? Die Sprache(n)? Reicht ein ganzes Leben nicht als Auseinandersetzung mit diesem Land? Bin ich nicht gut genug integriert? Denn genau dies würde bei der ordentlichen Einbürgerung geprüft werden. Es fühlt sich seltsam an, all das beweisen zu müssen und prüfen zu lassen, um etwas zu werden, was man eigentlich schon ist. Sich für etwas rechtfertigen zu müssen, was doch selbstverständlich sein sollte.

Die ordentliche Einbürgerung dauert in der Regel eineinhalb Jahre. Sowohl der Bund, als auch die Gemeinde und der Kanton haben die Kompetenz für den Entscheid. Es gibt bereits schon eine erleichterte Einbürgerung. Bei dieser reicht die Kompetenz des Bundes. Diese gilt jedoch nur für ausländische EhepartnerInnen von SchweizerInnen oder Kinder mit einem Schweizer Elternteil. Aber die dritte Generation in diesem Land zu sein, hier die obligatorischen Schulen besucht zu haben, zu arbeiten, Steuern zu zahlen und die Schweiz als Heimat zu haben, reicht für eine erleichterte Einbürgerung nicht.

Ob ich mich auf „normalem“ Weg einbürgere oder durch eine erleichterte Einbürgerung (falls diese Initiative angenommen wird oder z.B. durch die Heirat mit einem Schweizer) spielt im Falle einer dritten Ausländergeneration keine Rolle. Letzten Endes möchte der Schweizer Staat Menschen einbürgern, welche integriert sind, keine Gefahr für die innere und äussere Sicherheit der Schweiz darstellen, sich mit dem Staat auseinandergesetzt haben, die Rechtsordnung achten und seit mindestens zwölf Jahren in der Schweiz leben. Wenn ein Ausländer dritter Generation keine Gefahr für die innere und äussere Sicherheit darstellt und die Rechtsordnung achtet, sind alle Kriterien erfüllt. Ein Aufwand (und damit verbundene hohe Kosten), der mit einer erleichterten Einbürgerung vermieden werden könnte, wenn diese auch den Ausländern dritter Generation zustehen würde. Schlussendlich würde lediglich das Verfahren der Einbürgerung erleichtert werden.

Auf diesem Weg wollte auch ich einen Beitrag zur Abstimmung leisten. Es ist leider nicht der Weg zur Urne, denn dieser, liebe Leserinnen und Leser, bleibt in Euren Händen.

Ylenia Sartorel, Terza, Studentin Deutsch und Medienwissenschaften

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